Interview im Kölner Stadtanzeiger / Bergische Landeszeitung am 01.10.2022 mit Rainer Deppe, dem Vorsitzenden der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald Rhein-Berg / Leverkusen
Mit Blick auf die Geschichte, wie stellt sich die Situation der Wälder aktuell dar?
Während der beiden Weltkriege litt unser Wald unter den Kriegsschäden; danach am Raubbau für die Reparationszahlungen; in den siebziger Jahren am sauren Regen. Wer heute mit offenen Augen durchs Bergische Land fährt, sieht auf kahle Hänge und abgestorbene Bäume.
Der Waldzustand war seit dem Beginn der systematischen Waldzustandserhebungen im Jahr 1984 noch nie so schlecht wie aktuell. Ein so komplexes Ökosystem wie der Wald, das sich über hundert Jahre und mehr entwickelt, wird mit dem schnellen Klimawandel nicht fertig.
Die Fichte, eine Baumart, die viel Wasser braucht, schien über Generationen geradezu prädestiniert für das regenreiche Bergische Land. Nur 3 Jahre Dürre haben dazu geführt, dass die Fichte praktisch komplett aus unserer Landschaft verschwunden ist. Durch Wassermangel geschwächt, war sie die erste Baumart, die der explosionsartigen Vermehrung von Schadorganismen nichts mehr entgegensetzen konnte. In diesem Fall hatten Milliarden von Borkenkäfern leichtes Spiel und sie haben ganze Arbeit geleistet. In diesem Jahr beobachten wir zunehmend Schäden an den heimischen Buchen. Bleibt es so weiter trocken, wird es bei uns auch für diese typisch Bergische Baumart eng.
Welche Maßnahmen sind geplant, um die Wälder „zu retten“?
Der Wald der Zukunft wird ein Mischwald aus verschiedenen Baumarten sein. Da wir uns auf größere Extreme beim Wetter einstellen müssen, ist Vielfalt angesagt. Die eine Baumart kommt mit Trockenheit besser zurecht; eine andere wird vielleicht besser mit extremem Regen, wie wir ihn im Jahr 2021 hatten, fertig; eine andere verträgt Frost, vor allem die gefährlichen Spätfröste, besser als andere.
Mit Mischungen von unterschiedlichen Baumarten und auch Bäumen unterschiedlichen Alters verteilt man nicht nur Risiken, sondern sie stützen und schützen sich gegenseitig. Auf diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert das Wiederbewaldungskonzept des Landes Nordrhein-Westfalen. Da ist auch Platz für die Beimischung von neuen, sog. Experimentierbaumarten wie z.B. Küstentanne, Esskastanie, Walnuss oder Zeder.
Den Hauptbestand werden aber auch zukünftig die heimischen Baumarten wie Buche, Eiche, Vogelkirsche, Douglasie und auch Birken und Fichten, die aus der Naturverjüngung ohne unser Zutun kommen, bilden.
Kann auch jeder von uns etwas zur Verbesserung der Waldsituation beitragen?
Ganz einfach zu verwirklichen ist umsichtiges Verhalten in der Natur. Keine Jungpflanzen umtreten; nicht quer durch den Wald laufen; Hunde anleinen – und, was ziemlich neu ist für unsere Region, Waldbrände vermeiden. Eine achtlos weggeworfene Zigarette, eine Glasscherbe, die in der Sonne wie ein Brennglas wirkt, die Reste eines Grillfeuers oder der heiße Auspuff auf trockenem Gras – das alles kann verheerende Waldbrände auslösen. Das darf und muss nicht sein.
Wer etwas mehr tun kann, ist herzlich eingeladen, sich mit uns um die Wiederaufforstung zu kümmern – und zwar hier vor der Haustür, wo jeder sieht, was aus den Spendengeldern wird. Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald unterstützt jedes Jahr Pflanzungen, wobei immer mehrere Baumarten zum Einsatz kommen. Denn Vielfalt ist stabiler–auch im Wald.